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Im ältesten Teil der Hofburg befindet sich die
bedeutendste Schatzkammer der Welt. Hier sind gleich zwei
Kaiserkronen zu bewundern: Die Krone Kaiser Rudolfs II. - sie wurde später
zur österreichischen Kaiserkrone - ist glanzvoller Auftakt Ihres
Rundganges durch tausend Jahre europäischer Geschichte. Im Mittelpunkt
steht der wichtigste Kronschatz des europäischen Mittelalters:
Reichskrone, Krönungsmantel und Heilige Lanze zeugen von der
politischen und spirituellen Autorität der Kaiser des Heiligen
Römischen Reiches. Aber auch die Thronwiege von Napoleons Sohn oder der
größte, je von Menschenhand bearbeitete Smaragd und die beiden
legendären »unveräußerlichen Erbstücke des Hauses Habsburg«, ein
Einhorn sowie die spätantike Achatschale, in der man den Hl. Gral sah,
werden hier verwahrt. Der Schatz des Ordens vom Goldenen Vlies belegt
die Bedeutung und Prunkentfaltung dieses alten, noch heute
existierenden Ritterordens. Ein Blick in die Geistliche Schatzkammer
offenbart faszinierende Objekte der habsburgischen Kunst-,
Frömmigkeits- und Religionsgeschichte.
* * *
Neben Architektur und Malerei - man denke etwa an Kirchen, Schlösser
oder höfische Porträts - sind Kronen, Szepter und Gewänder die
vornehmsten Relikte untergegangener Herrschaftssysteme. Als solche
stehen hier, in der Schatzkammer in der Wiener Hofburg, das Heilige
Römische Reich (das zeitweise auch den Zusatz „deutscher Nation" trug)
und das Kaiserreich Österreich im Mittelpunkt. Deren Machtbereich
veränderte sich im Laufe der Geschichte, so werden Ihnen Objekte aus
dem heutigen Österreich, aus Ungarn, Italien, Frankreich, Böhmen,
Deutschland, Belgien und den Niederlanden begegnen. Außerdem sind
gefasste Edelsteine, Schmuck, liturgische Gewänder, Reliquien und auch
Naturalien zu sehen. Die Ausdehnung von Territorien und die dort
jeweils bevorzugte Herrschaftssymbolik veränderten sich immer wieder -
etwas jedoch blieb konstant: die Dominanz der Habsburger als Könige und
Kaiser des Heiligen Römischen Reiches bis 1806 und des Kaiserreichs
Österreich (1804-1918).
Bedeutende Teile des Habsburger-Schatzes wurden bereits seit dem frühen
14. Jahrhundert hier in der Wiener Hofburg aufbewahrt. Kaiser Karl VI.
(reg. 1711-1740) ließ einen der damaligen Schatzkammereingänge u. a.
mit einer schweren Eisentür schützen, die - inzwischen zum
Ausstellungsobjekt geworden - heute in Raum 1 zu sehen ist. Die
wertvolle Inneneinrichtung der heutigen „Geistlichen Schatzkammer"
entstand 1747-1750 unter Maria Theresia; während der Regentschaft Franz
Josefs I. (reg. 1848 - 1916) wurde die Ausstellungsfläche der
Schatzkammer weiter vergrößert. Im 20. Jahrhundert gelangten die am
kaiserlichen Hof verwendeten und gesammelten Reliquien, liturgischen
Geräte und Gewänder in die Sammlung.
Die habsburgischen Erblande - Schlüssel zur Macht
ERBLANDE
Im Jahr 1282 etabliert das Haus Habsburg seine Herrschaft auf dem
Gebiet des heutigen Österreich. In weiterer Folge formieren sich die so
genannten Erblande, die auch Gebiete im Süden des heutigen Deutschland
sowie in Italien, Slowenien und Kroatien umfassen. Ab 1453 verbindet
sich damit offiziell die Benennung als Erzherzogtum Österreich. 1526
kommen die Königreiche Böhmen und Ungarn hinzu. Dort bleibt der
Regierungsantritt mit einer Krönung verbunden. In den übrigen Erblanden
erfolgt dieser hingegen im Rahmen einer Erbhuldigung. Hierbei geloben
die Länder Gehorsam und erhalten dafür die Bestätigung alter Rechte.
ERZHERZOGSHUT
Schon Herzog Rudolf IV. (1339-1365) verfolgt das Ziel einer
Rangerhöhung zum Erzherzog. Erst 1453 jedoch wird diese Würde anerkannt
und damit der sogenannte Erzherzogshut, eine kronenartige Insignie,
zum offiziellen Zeichen habsburgischer Herrschaft in den Erblanden. Für
Joseph II. entsteht 1764 eine solche Insignie nach mittelalterlichen
Vorbildern. Erhalten ist davon das in diesem Raum ausgestellte
Grundgerüst aus Goldblech („Karkasse"). Die Juwelen wurden schon bald
wieder abgenommen und anderweitig verwendet.
KÄMMERERSCHLÜSSEL UND EHRENZEICHEN
Als Zeichen ihrer privilegierten Stellung tragen die Kämmerer am Hof
der Habsburger einen Schlüssel, der die Zutrittsberechtigung zu den
Gemächern des Herrschers symbolisiert. Das Amt des Kämmerers ist
ausschließlich Mitgliedern des Hochadels vorbehalten. Mit ihm gehört
man zur sogenannten „Ersten Gesellschaft" und ist Teil des Gefolges des
Kaisers bei öffentlichen Feierlichkeiten. Das in diesem Raum
ausgestellte Falknerzeug sowie die Wappenröcke und Stäbe sind ebenfalls
Abzeichen bestimmter Amtsträger bzw. Familien in den Erblanden und
charakterisieren ihre Bedeutung und Stellung.
Darstellung der Barockkopie des Österreichischen Erzherzogshutes
Wien (?), um 1765, Öl auf Leinwand
Das Kaisertum Österreich - die Insignien
DAS HAUS HABSBURG UND DAS KAISERTUM
Von 1438 bis 1806 stehen fast ausnahmslos Habsburger an der Spitze des
Heiligen Römischen Reiches. Als gewähltes Oberhaupt dieses
übernationalen Staatengebildes tragen sie den Kaisertitel. In Reaktion
auf Napoleons Erhebung zum Kaiser der Franzosen proklamiert Kaiser
Franz II. am 11. August 1804 jedoch das Erbkaisertum Österreich.
Dieses umfasst alle Erblande sowie die Königreiche Ungarn und Böhmen.
1867 kommt es zur Umwandlung in die Doppelmonarchie
Österreich-Ungarn. Mit der Ausrufung der Republik am 12. November
1918 endet die Herrschaft der Kaiser von Österreich.
DIE KRONE KAISER RUDOLFS II.
1602 wird die Krone vollendet, die Rudolf II. (1552-1612) als Kaiser
des Heiligen Römischen Reiches für sich in Auftrag gibt. Sie dient als
persönliches Zeichen dieser Würde, da die seit 1424 in Nürnberg
verwahrte mittelalterliche Reichskrone nur für die Krönung
selbst zur Verfügung steht. In weiterer Folge wird diese neue Insignie
zur Hauskrone der Habsburger und 1804 schließlich zur offiziellen Krone
des österreichischen Kaiserreiches. Zu Recht gilt diese kostbare
Goldschmiede- und Juweliersarbeit als „schönste Krone der Welt".
KAISER FRANZ I. (II.) IM PORTRÄT
1792 wird Franz II. (1768-1835) als letzter Habsburger zum Kaiser des
Heiligen Römischen Reiches gewählt. Unter dem Druck Napoleons bricht
dieses politische Gebilde 1806 nach über 1000 Jahren wechselvoller
Geschichte zusammen und wird von seinem letzten Kaiser aufgelöst.
Dieser regiert nunmehr als Franz I. das Erbkaisertum Österreich, das er
1804 proklamiert hat. 1832 entsteht ein offizielles Thronbild in dieser
Funktion, das ein bemerkenswertes Spannungsverhältnis zwischen dem
gealterten, müde wirkenden Monarchen und der Pracht seines imperialen
Ornates zeigt.
Kaiser Franz I. von Österreich (1768-1835) im Österreichischen Kaiserornat
Friedrich von Amerling (1803-1905) Wien, 1832, Öl auf Leinwand
Das Kaisertum Österreich - die Insignien
Reichsapfel zur Krone Rudolfs II.
Andreas Osenbruck, Prag, 1612-1615, Gold, Email, Diamanten, Rubine, Saphir, Perlen
Krone Kaiser Rudolfs II., später Krone des Kaisertums Österreich
Jan Vermeyen († 1606), Prag, 1602, Gold, Email, Diamanten, Rubine, Spinelle, Saphir, Perlen, Samt
Szepter für Kaiser Matthias zur Krone Rudolfs II.
Andreas Osenbruck, Prag, 1615, Ainkhürn (Narwalzahn), Gold, Email, Diamanten, Rubine, Saphir, Perlen
DER MANTEL DES ÖSTERREICHISCHEN KAISERS
In Ergänzúng zu den kaiserlichen Insignien aus dem frühen 17.
Jahrhundert, Krone, Szepter und Reichsapfel (Raum 2), entstehen 1830
für Kaiser Franz I. von Österreich weitere Teile eines Ornats. Den
Anlass bieten die Feierlichkeiten zur Krönung seines Sohnes Ferdinand
zum König von Ungarn. Der Kostümdirektor der Hoftheater in Wien,
Philipp von Stubenrauch, liefert verschiedene Entwürfe, die in diesem
Raum ausgestellt sind. Bei einem von ihnen sehen Sie die vom Kaiser
ausgewählte Variante. Sie ist mit einem Kreuz gekennzeichnet. Den Dekor
der reichen Goldstickereien am Mantel dominieren die Motive des
Doppeladlers mit Kaiserkrone sowie Eichenlaub und Lorbeerblätter.
DIE ÖSTERREICHISCHEN HAUSORDEN
Neben den geistlichen
Ordensgemeinschaften gibt es im späten
Mittelalter zahlreiche weltliche Ritterorden. Sie werden von
regierenden Dynastien gegründet, um den Adel in ihrem Einflussbereich
an
sich zu binden. Die Aufnahme hat den Charakter einer Auszeichnung,
verbindet sich aber auch mit festgelegten Zielen und der Idee einer
Gemeinschaft. Als äußere Zeichen der Zugehörigkeit dienen Abzeichen
und Ornate. Ab dem 18. Jahrhundert entstehen im Habsburgerreich eigene
Verdienstorden als Belohnung für militärische oder zivile Leistungen.
Damit verbinden sich im Regelfall immer noch die Einkleidung mit einem
Ornat und die Übertragung einer Collane (Ordenskette). 1764 stiftet
Maria Theresia für außerordentliche zivile Verdienste den Ungarischen
St. Stephans-Orden. Kaiser Franz I. gründet 1808 in Erinnerung an
seinen Vater den Österreichischen Leopolds-Orden. 1816 folgt der
Österreichische Orden der Eisernen Krone. Die Ornate dieser drei
Hausorden kommen bis um 1850 bei Festlichkeiten des Hofes zum Einsatz.
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Mantel des österreichischen Kaisers
Entwurf: Philipp von Stubenrauch (1784-1848); Ausführung: Johann Fritz (Sticker) Wien, 1830
Samt, Goldstickerei in Spreng- technik, Pailletten, Goldborten, Hermelin, Seidentaft
Schwert zum Ornat des Österreichischen Kaisers
Süddeutsch, 1600-1610 Stahl, Gold, Email, Rubine, Perlen
DER KRÖNUNGSORNAT
Nach dem Sturz Napoleons entsteht in den Jahren 1814/15 auf dem Wiener
Kongress eine neue politische Ordnung Europas. Der Norden Italiens wird
im Königreich Lombardo-Venezien mit den beiden Hauptstädten Mailand und
Venedig zusammengefasst und fällt an die Habsburger. 1838 lässt sich
Kaiser Ferdinand I. (1793-1875) zum König dieses Reiches krönen. Zu
diesem Anlass wird ein neuer Krönungsornat angefertigt, dem die
frühmittelalterliche Eiserne Krone der Lombardei zugeordnet wird. Der
Wiener Porträt- und Genremaler Peter Fendi liefert Entwürfe für die
Insignien, der Kostümdirektor der Hoftheater, Philipp von Stubenrauch, entwirft die Gewänder. Im Kampf um die Unabhängigkeit und
Einigung Italiens verliert Österreich jedoch die Lombardei (1859) und
Venezien (1866). Vom Krönungsornat bleiben in Wien der mit dem Motiv
der Eisernen Krone, Palmblättern, Eichenlaub und Lorbeerzweigen in Gold
bestickte Mantel sowie der Rock und das Krönungsschwert erhalten. Die
Eiserne Krone muss 1866 als historisches Symbol an Italien ausgefolgt
werden (heute im Domschatz von Monza).
KAISER FERDINAND I. ALS KÖNIG VON LOMBARDO-VENEZIEN
Eine Vorstellung vom Aussehen des gesamten Ornates gibt das ausgestellte Aquarell mit dem Bildnis Kaiser Ferdinands I. als
König von Lombardo-Venezien. Er trägt die Eiserne Krone über einer
flachen Haube aus Samt. Die Regierungsgeschäfte des körperlich
gezeichneten und führungsschwachen Ferdinand werden durch die noch
von seinem Vater, Kaiser Franz I., berufene „Geheime Staatskonferenz"
mit dem Kanzler Klemens Wenzel von Metternich an der Spitze gelenkt. Im
Gefolge der Revolution von 1848 muss Ferdinand I. die Regierung
überhaupt an seinen Neffen Franz Joseph I. (1830-1916) abtreten.
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Krönungsornat des Königreichs Lombardo-Venezien
Entwurf: Philipp von Stubenrauch (1784-1848); Ausführung: Johann Fritz (Sticker) Wien, 1838
a. Mantel: Samt, Goldstickerei in Spreng- technik, Hermelin
b. Unterkleid: Moiré, Gold- und Silberstickerei
c. Wehrgehänge: Samt, Goldstickerei, Silber vergoldet
d. Krönungsschwert:
Entwurf: Peter Fendi (1796-1842), Wien, 1837/38, Silber vergoldet, Stahl, Gold
Scheide: Samt, Silber vergoldet
Wappenrock für den Herold des Königreichs Lombardo-Venezien
Wien, 1838, Samt, Silberlamé, Gold-, Silber- und Seidenstickerei, Gold- und Fransenborten, Folien
Das Heilige Römische Reich - Wahl und Krönung
Wahl und Krönung des Reichsoberhauptes folgen Abläufen und Zeremonien,
die sich im Laufe der Jahrhunderte verfestigen. Sie werden mit der
Goldenen Bulle von 1356 fixiert und bis zum Ende des Reiches (1806) im
Wesentlichen befolgt. Während des Mittel- alters gehen Wahl und Krönung
in der Regel nicht am selben Ort vor sich. Die Wahl findet ab 1147
üblicherweise in Frankfurt am Main statt, während die Krönung im
Anschluss an die Wahl in Aachen erfolgen muss. Zwischen 936 und 1531
sind es insgesamt 31 Könige, die in der dortigen Marienkirche gekrönt
werden und den Thron Karls des Großen besteigen. Ab 1562 finden jedoch
auch die Krönungen zumeist in Frankfurt am Main statt. Für die frühe
Neuzeit berichten offizielle Abhandlungen („Diarien") ausführlich
von den Abläufen: vom Krönungszug zum Dom, vom Zeremoniell der Krönung
unter Verwendung der Reichskleinodien und vom Krönungsmahl im Rathaus.
DIE KRÖNUNG IM 18. JAHRHUNDERT
Im Zeitalter der Aufklärung werden die alten Zeremonien, mit denen sich
das Heilige Römische Reich bei diesem Anlass in seiner langen, auf Karl
den Großen zurückgeführten Kontinuität präsen- tiert, zunehmend als
befremdlich empfunden. So berichtet Johann Wolfgang von Goethe in
Dichtung und Wahrheit von der Frankfurter Krönung Josephs II. im Jahr
1764: „Der junge König [...] schleppt sich in den ungeheuren
Gewandstücken mit den Kleinodien Karls des Großen wie in einer
Verkleidung einher, so daß er selbst, von Zeit zu Zeit seinen Vater
ansehend, sich des Lächelns nicht enthalten konnte. Die Krone, welche
man sehr hatte füttern müssen, stand wie ein übergreifendes Dach vom
Kopf ab." Eben diese Krönungsfeier des Jahres 1764 ist das Thema des
großformatigen Gemäldes in diesem Raum, das den Zug Josephs II. zur
Krönung im Frankfurter Dom festhält.
* * *
Krönung Josephs II. (1741–1790) zum Römischen König
Der Krönungszug am Römerberg in Frankfurt am Main, 3. April 1764
Atelier des Martin van Meytens d. J. (1695–1770), Österreichisch, um 1764, Öl auf Leinwand
DIE TAUFGEWÄNDER
Am Wiener Hof ist die Taufe eines Erzherzogs oder einer Erzherzogin
nicht nur ein Familienfest, sondern auch ein zeremoniell geregelter Akt
der Staatspolitik. Die Taufe erfolgt im Regelfall nicht in der
Hofburgkapelle, sondern in einem eigens adaptierten Raum der jeweiligen
Residenz. Seit dem frühen 17. Jahrhundert findet dabei die 1571
entstandene goldene Taufgarnitur Verwendung, die in der Raummitte zu
sehen ist. Dem Taufwasser wird in Erinnerung an die Taufe Jesu jeweils
Wasser aus dem Fluss Jordan beigemengt. Als Teile verschiedener
Garnituren des 18. und 19. Jahrhunderts haben sich reich bestickte
Kleider, Decken und Polster aus kostbaren Stoffen für die Täuflinge
erhalten. Bei der Taufe des Thronfolgers wird dieser zugleich zum
Ritter des Ordens vom Goldenen Vlies erhoben.
DIE SCHLÜSSEL ZU DEN SÄRGEN DER HABSBURGER
Der von Kaiserin Anna (1585-1618) gestiftete Bau der Kapuzinerkirche in
der Wiener Innenstadt entwickelt sich in der Folgezeit zur wichtigsten
Grablege des Hauses Habsburg. Heute stehen dort über hundert Särge.
Jeder Sarg ist mit zwei verschiedenen Schlössern versehen. Einer der
beiden Schlüssel wird (bis 1918) im Rahmen des Begräbniszeremoniells
den Kapuzinern übergeben, der andere wird in der Schatzkammer
hinterlegt. Für diese Schlüssel lässt Kaiser Franz Joseph I. 1895 den
in diesem Raum ausgestellten Holzschrank im Stil des Neobarock
anfertigen, dessen Zentrum mit einem elfenbeinernen Kruzifixus des 18.
Jahrhunderts geschmückt ist. Die beschrifteten Schubladen im Inneren
enthalten 139 Schlüssel zu Särgen von Habsburgern, darunter auch
Schlüssel zu Särgen in anderen Begräbnisstätten der Familie wie Seckau,
Bozen, Gmünd, Esztergom, Linz, Mantua und Neuberg an der Mürz.
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Taufkanne und Taufschüssel
Spanischer Meister, 1571, Gold, teilweise emailliert
Juwelen, Schmuck und Erinnerungsstücke – Edelsteine und Insignien
DIE JUWELEN DER KAISERLICHEN SCHATZKAMMER
Seine Stellung als eine der mächtigsten Dynastien Europas unter-
streicht das Haus Habsburg in der Öffentlichkeit von jeher mittels
kostbarer Insignien und Juwelen. Schmuckstücke im engeren Sinne wie
Diademe, Colliers und Spangen sowie Ordensdekora- tionen werden jedoch
erst ab der Zeit Maria Theresias (1717-1780) in der Schatzkammer
ausgestellt. 1918 nimmt der letzte Kaiser von Österreich, Karl I., den
als Privatschmuck inventarisierten Teil dieser Juwelen mit ins Exil.
Zurück bleiben nur einzelne Edelsteine und Schmuckstücke, darunter vier
Broschen mit Perlenbesatz aus dem Besitz der Kaiserin Elisabeth
(„Sisi").
DAS SMARAGDGEFÄSS
Schon im 17. Jahrhundert gilt das 2.680 Karat schwere Smaragdgefäß - in
der Mitte des Raumes - als eines der berühmtesten Objekte der
kaiserlichen Schatzkammer. Den großen Wert dieses einzigartigen
Schaustückes, dessen Deckel aus dem Inneren des Edelsteins
herausgeschliffen wurde, illustriert die Überlieferung, dass sich
Genueser Juweliere weigerten, einen Preis für das von Kaiser Ferdinand
III. (1608-1657) als Pfand für einen Kredit vorgesehene Gefäß zu
benennen, da sie mit so gewaltigen Stücken im Regelfall nicht handelten.
DIE KRONE DES STEFAN BOCSKΑΙ
Die goldene Krone entsteht im Zusammenhang mit einem Konflikt zwischen
ungarischen Protestanten und Kaiser Rudolf II. (1552-1612). Mit ihr
lässt sich Stefan Bocskai, ein Fürst von Siebenbürgen, 1605 in einer
gegen den katholischen Kaiser gerichteten Allianz von den Osmanen zum
König von Ungarn krönen. 1608 wird Erzherzog Matthias zum ungarischen
König gewählt und erhält die Krone in weiterer Folge ausgeliefert.
Hinsichtlich der Formgebung orientiert sich die osmanische
Goldschmiedearbeit offenkundig am Vorbild ostkirchlicher Bischofshauben.
Die unveräußerlichen Erbstücke des Hauses Habsburg - Achatschale und Einhorn
ZWEI „ANSEHNLICHE CLAINOD"
Kaiser Ferdinand I. (1503-1564) hinterlässt seinen drei Söhnen, seinem
Nachfolger Kaiser Maximilian II. sowie den Erzherzögen Ferdinand II.
und Karl II., bei seinem Tod 1564 ein reiches Erbe. Unter diesen
Schätzen kommt zwei „Kleinodien" eine ganz besondere Bedeutung zu: der
Achatschale und dem so genannten „Ainkhürn". Für sie wird vereinbart,
dass sie fortan als „unveräußerliche Erbstücke" immer beim ältesten
männlichen Mitglied der Familie erhalten bleiben, also nicht verkauft
oder verschenkt werden dürfen.
DIE ACHATSCHALE
Die aus einem einzigen Stück Achat geschliffene Schale gehört zu den
größten erhaltenen Gefäßen ihrer Art. Vermutlich entstand sie in
spätantiker Zeit in Konstantinopel (dem heutigen Istanbul). Ruhm und
Bedeutung der Schale in früherer Zeit rühren vor allem daher, dass man
im Durchlicht in der natürlichen Maserung des Steines das Wort
„XRISTO", das heißt den Namen Christi, erahnen kann (siehe die
Abbildung auf dem Kupferstich von 1665 in diesem Raum). Spätere
Legenden haben die Schale deshalb auch mit dem Hl. Gral in Verbindung
gebracht.
DAS „AINKHÜRN" (EINHORN)
Im Jahr 1540 bekommt der Habsburger Ferdinand I. vom polnischen König
Sigismund II. ein „Ainkhürn" zum Geschenk. Zu dieser Zeit gilt das
mythische Einhorn noch als ein real existierendes Tier, das sich nur im
Schoß einer Jungfrau fangen lässt. Daher kann es als ein Sinnbild
Christi und sein Horn als ein Zeichen göttlicher Macht verstanden
werden, von dem sich die weltliche Herrschaft ableitet. Zugleich
spricht man dem Horn eine Wirkkraft gegen Gifte zu. In Europa wird es
zu höchsten Preisen gehandelt. Erst im 17. Jahrhundert erkennt man,
dass es sich beim vermeintlichen Einhorn um den gedrehten Zahn des
Narwals (Monodon monoceros) handelt.
* * *
Achatschale
Konstantinopel (?), 300 – 400 n. Chr., Achat
Das Kaiserreich Frankreich - Napoleon und das Haus Habsburg
NAPOLEON UND ERZHERZOGIN MARIE LOUISE
Napoleon Bonaparte (1769-1821) gründet aus eigener Machtfülle ein
„Empire français" und krönt sich im Beisein des Papstes am 2. Dezember
1804 mit einem Lorbeerkranz selbst zum Kaiser der Franzosen. Der
Wunsch, den Bestand seiner Dynastie zu sichern, lässt ihn seine erste
kinderlose Ehe annullieren und eine Verbindung mit Marie Louise, der
Tochter des österreichischen Kaisers Franz I., eingehen. Am 2. April
1810 findet in Paris die Hochzeit statt. 1811 wird der ersehnte
Thronerbe, Napoleon Franz Karl, geboren. Als Napoleon 1814 abdanken
muss, kehrt Marie Louise nach Wien zurück und wird Herzogin von Parma.
Ihr Sohn erhält den Titel eines Herzogs von Reichstadt und stirbt 1832
in Wien.
DAS THRON-WIEGENBETT DES KÖNIGS VON ROM
Die Stadt Paris schenkt dem Kaiserpaar zur Geburt des Sohnes das reich
gestaltete Thron-Wiegenbett. Es besteht aus rund 280 kg Silber. Das
Bildprogramm dieses Repräsentationsmöbels nimmt Bezug auf den
männlichen Thronfolger, das Vorbild seines kaiserlichen Vaters und den
bei der Geburt verliehenen Titel eines Königs von Rom. Der kleine Adler
am Rand symbolisiert den Sohn, der dabei ist, zu dem Lorbeerkranz mit
dem Stern seines Vaters (,,N") aufzufliegen.
KAISER MAXIMILIAN VON MEXIΚΟ
Auf Initiative des französischen Kaisers Napoleon III. wird der jüngere
Bruder des österreichischen Kaisers Franz Joseph I., Erzherzog
Ferdinand Maximilian (1832-1867), im Jahr 1863 zum Kaiser von Mexiko
gewählt. Im Land selbst gelingt es ihm jedoch nicht, sich gegenüber den
starken republikanischen Kräften zu behaupten. Er wird von diesen
entmachtet und am 19. Juni 1867 hingerichtet. Zusammen mit dem größten
der drei in diesem Raum ausgestellten Szepter erhält Maximilian die
Urkunde zu seiner Wahl überreicht.
Nachbildung der Mariensäule am Hof in Wien, Philipp Küsel (1642–1700)
Augsburg, um 1675–1678, Silber vergoldet, Eisenkern, Emailmalerei, Edelsteine, Schmucksteine, Perlen
MARIENRELIEF AUS EINEM ALTAR
Augsburg, um 1600, Silber, teilweise vergoldet; Almandine
MONDSICHELMADONNA
Figur: Christoph Lencker (1556-1613); Sockel: Jeremias I. Wildt (+1608)
Augsburg, um 1608, Silber, teilweise vergoldet
DER HEILIGE JOSEPH
Melchior Mair (+ 1613), Augsburg, um 1613, Silber, teilweise vergoldet
Das Heilige Römische Reich - die Geschichte der Reichskleinodien
DER BESTAND
Die Reichskleinodien bilden den einzigen erhaltenen Kronschatz des
abendländischen Mittelalters. Ihre zahlreichen Einzelteile sind zu
unterschiedlichen Zeiten und an unterschiedlichen Orten entstanden. Die
ältesten von ihnen gehen auf das 8. Jahrhundert, die jüngsten auf das
frühe 16. Jahrhundert zurück. Ab dem 11. Jahrhundert wird die
Ausformung als Ensemble von Herrschaftszeichen fassbar, das die
Legitimität und Autorität des Reichsoberhauptes, dessen Befehls- und
Richtergewalt sowie dessen Beziehung zur Kirche und zum Christentum zum
Ausdruck bringt. 1246 finden sich die „keyserlichen Zeychen" erstmals
in einem Inventar aufgelistet. Ab dem 14. Jahrhundert gelten sie als
Reliquien Karls des Großen, der 1165 heiliggesprochen wurde. Daher
werden sie im Spätmittelalter auch regelmäßig bei „Heiltumsweisungen"
gezeigt.
DIE ORTE DER AUFBEWAHRUNG
Die Orte der Verwahrung der Reichskleinodien wechseln im Mittelalter
häufig. 1424 lässt König Sigismund die größere Gruppe von Gewändern,
Insignien und Reliquien in Nürnberg deponieren. Teile davon werden in
weiterer Folge zu den jeweiligen Krönungen gebracht und dort kurzzeitig
mit den drei in Aachen verwahrten Stücken zusammengeführt. Mit
dem Vormarsch Napoleons auf dem Gebiet des Heiligen Römischen Reichs
werden die Reichskleinodien aus beiden Städten evakuiert und 1800 bzw.
1801 weiter nach Wien, in die Residenzstadt des regierenden Kaisers
Franz II., geschafft. Dort werden sie in der Schatzkammer hinterlegt.
In Folge des „Anschlusses" Österreichs an das nationalsozialistische
Deutschland im Jahr 1938 gelangen alle Teile der Reichskleinodien nach
Nürnberg. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs werden sie vom
Alliierten Kontrollrat wieder Österreich zugesprochen, 1946 kehren sie
endgültig nach Wien zurück.
DIE GEISSELUNG CHRISTI
Christus: Alessandro Algardi (1598 – 1654); Schergen: Francois Duquesnoy (1597 – 1643)
Rom, 1635 - 1640, Bronze vergoldet, Lapislazuli, Ebenholz
Das Heilige Römische Reich - die Habsburger und das Reich
DAS HAUS HABSBURG UND DAS REICH
Die Wahl des Grafen Rudolf von Habsburg zum König beendet 1273 das
sogenannte Interregnum, die „kaiserlose Zeit" im Heiligen Römischen
Reich. Er etabliert die Herrschaft seines Hauses in den
österreichischen Landen und die bedeutende Rolle, die ihr in den
nächsten Jahrhunderten im Reich zukommen wird. Im 14. Jahrhundert
bestimmt zunächst jedoch die Dynastie der Luxemburger die Geschicke des
Reiches. Unter Kaiser Karl IV. wird 1356 mit der Goldenen Bulle die
Wahl des Reichsoberhauptes durch die sieben Kurfürsten geregelt. Der
Umstand, dass die Habsburger dabei nicht berücksichtigt werden,
veranlasst Herzog Rudolf IV. (1339-1365), mit gefälschten Urkunden
(Privilegium Maius) für sein Haus den Titel des Erzherzogs zu erfinden.
1438 kommt mit Albrecht II. erstmals wieder ein Habsburger auf den
Thron. Die Familie stellt nun in einer nur von 1742 bis 1745
unterbrochenen Folge jeweils das Oberhaupt des Heiligen Römischen
Reiches bis zu dessen Ende (1806). Mit der böhmischen Krone fällt 1526
auch die Kurfürstenwürde, das heißt die Stimme des ranghöchsten
weltlichen Mitglieds unter den sieben Kurfürsten, endgültig an die
Habsburger.
DER BÖHMISCHE KURFÜRSTENORNAT
Bei der Wahl des römisch-deutschen Königs trägt der Kurfürst in dieser
Funktion einen speziellen Ornat. Zum Mantel gehören Handschuhe und ein
charakteristischer eckiger Hut mit Herme- linbesatz. Der in der Mitte
des Raumes ausgestellte, aus Seide und Gold gewebte Ornat entsteht
vermutlich für den Habsburger Ferdinand IV. (1633-1654), der 1646 zum
König von Böhmen und 1653 zum römisch-deutschen König gekrönt wird.
MEISSENER ALTARGARNITUR DER KAISERIN WILHELMINE AMALIA
Johann Joachim Kaendler (1706-1775) und Werkstätte, Meißen, um
1737-1741, Porzellan, teilweise vergoldet, Muffelfarben, Bronze
vergoldet
DIE BEGEGNUNG VON PAPST LEO DEM GROSSEN MIT DEM HUNNENKÖNIG ATTILA
Ercole Ferrata (1610-1686); Nach Alessandro Algardi (1598-1654)
Rom, nach 1657, Bronze vergoldet; der Rahmen: Kupfer, Silber
ZWÖLF RELIQUIENBÜSTEN
Joseph Moser (1715-1801), Wien, vor 1758 - um 1780
Büsten: Silber bzw. Bronze versilbert; Sockel: Bronze vergoldet
ZEHN RELIQUIENBÜSTEN
Joseph Moser (1715-1801) Wien, vor 1758 - um 1780)
Büsten: Silber bzw. Bronze versilbert; Sockel: Bronze vergoldet
ZWEI MESSKÄNNCHEN MIT TASSE
Johann David Saler (1665 – 1724), Augsburg, 1708 – 1710 - Silber, teilweise vergoldet
Großer Bernsteinaltar
Nordostdeutsch, um 1640/45, Bernstein, teilweise bemalt, Metallfolie, Wachs, Holz
Wien, KHM, Geistliche Schatzkammer
Das Glanzstück der kaiserlichen Bernsteinsammlung war neben dem
Thronsessel dieser große, nicht minder repräsentative Altar. Er
entstand vermutlich um 1640/45 in Preußen und markiert einen ersten
Höhepunkt der zum damaligen Zeitpunkt relativ jungen
Inkrustationstechnik, die die Herstellung solcher Bernsteinobjekte von
bis dahin ungeahnter Größe erst ermöglichte. Die reiche
Renaissancearchitektur ist mit Nischer, Säulen und zahlreichen Figuren
versetzt deren örtliche Zuordnung die zwölf Apostel stehen in der
untersten Reihe, Evangelisten und Märtyrer in den übrigen Etagen mit
kleinformatigen christologischen Szenen in Eglomisétechnik jedoch
keinem schlüssigen ikonographischen Programm folgt. Der monumentale
Altar dokumentiert die gesamte Bandbreite an Bearbeitungstechniken der
Bernsteinkunst um 1650: Schnitzerei an den Figuren, Drechselarbeit an
den Säulen, Hochschnitt an den Reliefs, an der Rückseite der dünnen
Bernsteinplatten Tiefschnitt, der durch die Transparenz des Materials
von vorne plastisch erscheint, Nut- und Federtechnik an freitragenden
Bernsteinflächen, z. B. den Türfeldern des Holzsockels, und
Hinterlegung mit Goldfolie.
Der mannshohe Altar im Wert von fl. 20.000 bildete der Überlieferung
nach ein Geschenk Friedrichs III., Kurfürst von Brandenburg, an Kaiser
Leopold I., und zwar als Dank für die erfolgreichen Verhandlungen zum
Kronvertrag, der am 16. 11. 1700 abgeschlossen wurde. Zum Zeitpunkt der
Schenkung war der mehr als fünfzig Jahre alte Altar allerdings schon
antiquiert. Er diente vermutlich bereits 1645 als Geschenk des Großen
Kurfürsten Friedrich Wilhelm an seine Schwester Luise Charlotte von
Brandenburg anlässlich ihrer Hochzeit mit Herzog Jakob von Kurland.
Nachdem die fürstliche Gabe ein halbes Jahrhundert in der Geistlichen
Schatzkammer aufbewahrt worden war, veranlasste Kaiserin Maria Theresia
eine Verbringung des Altars zu den Kapuzinern. Der umfangreiche
Kapuzinerschatz, der auf ein Vermächtnis der Kaiserin Anna (1585-1618)
zurückgeht, bildete den Bestand der zweiten geistlichen Schatzkammer
des Kaiserhofes. Papst Urban VIII. hatte dem einem strengen
Armutsgelübde verpflichteten Orden erlaubt, den Bestand an Reliquiaren
und liturgischen Geräten zu übernehmen. Die früheste inventarische
Nennung dieses Altars, der bedeutendsten Bernsteinarbeit am Kaiserhof,
findet sich erst 35 Jahre später im Inventar des Kapuzinerschatzes vom
18. 3. 1789.
* * *
Bernsteinaltar
Norddeutsch, um 1640/45; Bernstein, teilweise bemalt, Metallfolie, Wachs, Holz
Das Heilige Römische Reich – Grundlagen
BENENNUNG UND STRUKTUR
Die Bezeichnung Heiliges Römisches Reich leitet sich von der Idee und
dem Anspruch abendländischer Herrscher des Mittelalters ab, die
Tradition des antiken „Imperium Romanum" fortzusetzen. Nach Anfängen
unter Karl dem Großen, der im Jahr 800 vom Papst zum Kaiser gekrönt
wird, nimmt das mittelalterliche, christlich geprägte „Reich der Römer"
ab dem 10. Jahrhundert konkret Gestalt an. Im 12. und 13. Jahrhundert
etabliert sich die Benennung als „Heiliges" Römisches Reich. Der Zusatz
„Deutscher Nation" tritt seit dem späten 15. Jahrhundert in
Erscheinung. Das Reich setzt sich aus zahlreichen mehr oder weniger
selbständigen Territorien zusammen, die den König bzw. Kaiser als
Reichsoberhaupt anerkennen. In seiner größten Ausdehnung umfasst es
weite Teile des heutigen Mitteleuropa mit Burgund und Gebieten in
Italien. Es endet, als 16 deutsche Fürsten ein Bündnis mit Napoleon
schließen und aus dem Reich austreten. Daraufhin erklärt Kaiser Franz
II. das Reich am 6. August 1806 für aufgelöst.
DAS REICH ALS WAHLMONARCHIE
Als Besonderheit bewahrt dieses Reich bis 1806 den Charakter einer
Wahlmonarchie. Ab 1257 ist der Wählerkreis auf die Kurfürsten
beschränkt. Das Reichsgesetz (die Goldene Bulle) von 1356 bestimmt drei
geistliche und vier weltliche Kurfürsten: die Erzbischöfe von Mainz,
Trier und Köln sowie den König von Böhmen, den Pfalzgrafen bei Rhein,
den Herzog von Sachsen und den Markgrafen von Brandenburg. Mit der Wahl
und der Krönung trägt das Oberhaupt des Reiches im Mittelalter den
Titel eines Königs. Zur Erlangung des Kaisertitels muss sich dieser in
Rom vom Papst salben und krönen lassen. Erst der Habsburger Maximilian
I. etabliert 1508 den Titel eines „erwählten römischen Kaisers", womit
die Beteiligung des Papstes in weiterer Folge entfällt.
Das Heilige Römische Reich - die Krönungsgewänder
DIE GEWÄNDER AUS DEN HOFWERKSTÄTTEN IN PALERMO
Der größere Teil der Gewänder in diesem Raum entstand im 12. und frühen
13. Jahrhundert in Palermo. Der halbkreisförmige Krönungsmantel aus
roter Seide mit dem Motiv des Löwen, der ein Kamel bezwingt, die
langen, reich bestickten Oberkleider die blaue Tunicella bzw. die weiße
Alba sowie die Schuhe, Strümpfe und Handschuhe verweisen zusammen mit
dem Gürtel zum Teil durch Inschriften, zum Teil aufgrund anderer
Indizien auf einen ursprünglichen Zusammenhang mit den normannischen
Königen Siziliens. Formgebung und Elemente der Dekoration lassen sich
vom Vorbild der höfischen Kleidung byzantinischer Kaiser ableiten.
Vermutlich gelangt der ältere Teil dieser Textilien über den Staufer
Kaiser Heinrich VI. ins Reich. Er heiratet 1186 die normannische
Prinzessin Konstanze und wird 1194 König von Sizilien. Im Reich
interpretiert man sie offenkundig als Priestergewänder, nimmt sie bei
den Krönungen in Verwendung und erweitert den Bestand.
STOLA UND ADLERDALMATIKA
In Nachahmung eines älteren byzantinischen oder normannischen Textils,
eines Loros, entsteht im 14. Jahrhundert die 6 m lange Schärpe aus
gelber Seide mit schwarzen Reichsadlern in Rundmedaillons (die Adler
sind heute bis auf einen verloren). Entgegen der ursprünglichen
Trageweise eines Loros wird die lange Schärpe im Spätmittelalter im
Reich jedoch wie eine Priesterstola, das heißt vor der Brust gekreuzt,
getragen. So zeigt sie auch die berühmte Darstellung Karls des Großen
von Albrecht Dürer. Die purpurfarbene Dalmatika weist einen gestickten
Dekor aus Adlern und gekrönten Häuptern auf. Damit bringt sie ihren
Träger in direkten Bezug zum Wappentier des Heiligen Römischen Reiches
und zur Reihe seiner Vorgänger im Amt.
* * *
Krönungsmantel
Palermo, Königliche Hofwerkstatt, 1133/34
Samit (Seide), Gold- und Seidenstickerei, Perlen, Email, Filigran, Edelsteine, Brettchengewebe
Das Heilige Römische Reich - Insignien und Reliquien
HEILIGE LANZE, KREUZPARTIKEL UND REICHSKREUZ
Zu den Insignien im engeren Sinn - Krone, Szepter, Reichsapfel,
Schwerter - gehören im Fall der Reichskleinodien zwei Reliquien, die
bis in das 12. Jahrhundert hinein als die wichtigsten Symbole des
legitimen Herrschers im Reich gelten: die Heilige Lanze und die
Partikel vom Kreuz Christi. Die Heilige Lanze wird im 10. Jahrhundert
erstmals als ein Unterpfand göttlichen Beistands in siegreichen
Schlachten erwähnt. Im 14. Jahrhundert tritt ihre Verehrung als Lanze
der Passion Christi in den Vordergrund. Für sie und für das große,
vermutlich 1029 aus Byzanz übermittelte Holzstück vom Kreuz Christi
entsteht unter Kaiser Konrad II. (reg. 10241039) als Behälter das
mächtige Kreuz mit Juwelenbesatz.
DIE REICHSKRONE
Im Früh- und Hochmittelalter existieren verschiedene Kronen, die Rang
und Stellung des jeweiligen Reichsoberhauptes deutlich machen. Zum
Sinnbild der Herrschaft im Reich schlechthin wird im Verlauf der Zeit
aber die in der Raummitte ausgestellte Krone mit Bügel, die
Reichskrone, die fälschlich lange als Krone Karls des Großen gilt. Ihre
Form und ihr Dekor verdeutlichen die ideelle Verbindung zwischen
himmlischem und irdischem Königtum sowie die Vorstellung vom Herrscher
als Stellvertreter Christi auf Erden.
DIE DREI AACHENER STÜCKE
Der Legende nach werden im Jahr 1000 n. Chr. bei der Öffnung des Grabes
Karls des Großen im Aachener Münster drei Objekte gefunden, die in
weiterer Folge bei den Krönungsfeiern zum Einsatz kommen. Neben der
Stephansbursa sind dies der Säbel, mit dem der König bei der Krönung
umgürtet wird, und das Krönungsevangeliar für den Eid.
* * *
Reichskrone
Westdeutsch (?), 960–980; Kronenkreuz: um 1020; Bügel: 1024-1039
Gold, Email, Edelsteine, Perlen
Heilige Lanze
Karolingisch, 750-800 (mit späteren Ergänzungen); Stahl, Eisen, Messing, Silber, Gold, Leder
Reichskreuz
Westdeutsch, um 1030; Kreuzfuß: Prag, 1352; Eichenholzkern, Gold, Edelsteine, Perlen, Niello; Fuß: Silber vergoldet, Email
Kreuzpartikel
Reliquiar: Prag (?), nach 1350; Gold
Die Reichskrone ist die Krone der Könige und Kaiser des Heiligen
Römischen Reiches seit dem Hochmittelalter. Sie gehört zum Typus der
mittelalterlichen Bügelkronen. Die meisten römisch-deutschen Könige
seit Konrad II. wurden mit ihr gekrönt. Die Reichskrone war neben dem
Reichskreuz, dem Reichsschwert und der Heiligen Lanze der wichtigste
Teil der Reichskleinodien. Bei der Krönung wurde sie zusammen mit dem
Zepter und dem Reichsapfel an den neuen König übergeben.
Die Reichskrone ist achteckig. Statt eines Reifens sind die acht oben
abgerundeten Platten durch Scharniere miteinander verbunden. Durch zwei
zu einem unbekannten Zeitpunkt eingezogene Eisenbänder, die mit
Goldnieten an den Platten befestigt wurden, wurde die Krone in ihrer
nahezu regelmäßigen achteckigen Gestalt fixiert. Wegen ihrer
Konstruktion aus Platten zählt die Reichskrone zu den Plattenkronen,
wegen ihres Bügels, der hier der Fixierung des Plattenoktogons und der
Montage des Frontkreuzes dient, auch zu den Bügelkronen. Die
Konstruktion aus mit Bildern verzierten Platten verbindet die
Reichskrone mit byzantinischen Vorbildern.
Die einzelnen Platten der Krone sind aus gediegenem Gold, von Perlen
und Edelsteinen durchsetzt. Durchsetzt ist hier wörtlich zu nehmen: Die
Perlen und die Steine sind in ausgesägte Öffnungen eingeschoben und mit
Filigrandraht befestigt, so dass sie in durchscheinendem Licht wie von
innen leuchten. Insgesamt wurden 240 Perlen (davon 144 größere und 96
kleinere) und 120 Steine (84 größere und 36 kleinere) verarbeitet; alle
Zahlen sind durch 12 teilbar und symbolisierten für die für christliche
Symbole sehr empfänglichen Christen des Mittelalters sowohl die 12
Apostel wie die 12 Stämme Israels. Vier Emailleplatten sind von der
Technik her byzantinisch beeinflusst. Drei dieser Bildplatten stellen
Könige aus dem Alten Testament dar (David, Salomo sowie Ezechias mit
dem Propheten Jesaja), eine Bildplatte zeigt Jesus von zwei Engeln
umrahmt. Die anderen vier Platten sind sogenannte Steinplatten mit
Edelsteinen. Die Bildplatten wechseln sich mit den Steinplatten ab.
König Ezechias (Hiskija) mit dem Propheten Jesaja; Inschriften Isaias p[ro]pheta (links), Ezechias rex (rechts)
Das Heilige Römische Reich - die Krönung im Bild
DIE KRÖNUNG JOSEPHS II. IM JAHR 1764
Von einer sechsteiligen Serie, die den Ablauf der Krönung Josephs II.
zum römisch-deutschen König im Jahr 1764 in Frankfurt zeigt, sind drei
Gemälde in der Schatzkammer ausgestellt. Auf den beiden Bildern in
diesem Raum sieht man zum einen die Krönung am Altar des St.
Bartholomäus-Domes durch die drei geistlichen Kurfürsten mit der
mittelalterlichen Reichskrone sowie zum anderen die anschließende
Zeremonie des Ritterschlages. Dazu wurde der neue König zu einem eigens
aufgebauten Thronsessel geführt, um die am alten Krönungsort Aachen so
bedeutsame Inbesitznahme des Thrones Karls des Großen auch hier
einbeziehen zu können.
DER ORNAT KAISER FRANZ' I. STEPHAN
Die Wahl und Krönung Josephs II. im Jahr 1764 findet noch zu Lebzeiten
seines Vaters, des regierenden Kaisers Franz I. Stephan, statt. Dies
folgt einer bereits im Mittelalter geübten Praxis, sich als Kaiser
darum zu bemühen, den Sohn als Römischen König und damit als Nachfolger
zu installieren. Nach dem Ableben seines Vorgängers übernimmt dieser
den Kaisertitel. Für die Krönung seines Sohnes lässt sich Kaiser Franz
I. Stephan Kopien vom mittelalterlichen Krönungsornat anfertigen. Diese
trägt er bei den Feierlichkeiten, wie die Gemälde zeigen, zusammen mit
der Hauskrone der Habsburger.
DIE FUTTERALE FÜR DIE REICHSKLEINODIEN
Zur Verwahrung der Reichskleinodien sowie zu deren Schutz bei den
Transporten zu Wahl und Krönung dienen Behältnisse aus Leder. Unter den
ältesten erhaltenen Futteralen ist jenes für die Reichskrone aus dem
14. Jahrhundert mit dem Reichsadler und dem böhmischen Löwen als
Wappendekor.
* * *
Ritterschlag nach der Krönung Josephs II. (1741–1790) in der St. Bartholomäuskirche zu Frankfurt am Main am 3. April 1764
Atelier des Martin van Meytens d. J. (1695–1770), Österreichisch, um 1764, Öl auf Leinwand
Krönung Josephs II. (1741–1790) zum römischen König in der St. Bartholomäuskirche zu Frankfurt am Main am 3. April 1764
Atelier des Martin van Meytens d. J. (1695–1770), Österreichisch, um 1764, Öl auf Leinwand
Das burgundische Erbe - das Reich der Herzöge von Burgund
DAS HERZOGTUM BURGUND IM SPÄTEN MITTELALTER
Im Jahr 1361 belehnt Johann II., König von Frankreich, seinen Sohn
Philipp mit dem Herzogtum Burgund. Durch seine Ehe mit der Tochter und
Erbin des Grafen von Flandern erweitert Philipp das Gebiet um eine der
reichsten Regionen des damaligen Europa. Mittels Diplomatie,
Heiratspolitik und militärischer Schlagkraft gelingt es ihm und seinen
Nachkommen, das Herrschaftsgebiet weiter auszubauen. Um die Mitte des
15. Jahrhunderts umfasst es auch die Freigrafschaft Burgund, Namur,
Brabant und Limburg, Hennegau, Holland und Seeland sowie Luxemburg. Der
Herzog von Burgund ist damit Lehensmann sowohl der französischen Krone
als auch des Heiligen Römischen Reiches. Karl der Kühne, der letzte der
Herzöge von Burgund aus der Linie der Valois, will sein Territorium in
den Rang eines souveränen Königtums heben, scheitert daran jedoch. Dies
gilt auch für seinen Versuch, Lothringen zu erobern und damit den
südlichen burgundischen und den nördlichen niederländischen Teil seines
Herrschaftsbereichs territorial miteinander zu verbinden. Über seine
Tochter Maria fällt Burgund nach 1477 an die Habsburger, die damit
ihren Aufstieg zur europäischen Großmacht weiter festigen.
WAPPENKÖNIGE UND HEROLDE
Der Wiedergabe von Wappen und Emblemen kommt im Rahmen
fürstlich-höfischer Repräsentation, wie sie am Hof der Herzöge von
Burgund im 15. Jahrhundert einen großartigen Höhepunkt erreicht, eine
zentrale Rolle zu. Aufgabe der Herolde ist es, Teilnehmer an Festen,
Turnieren oder im Krieg an ihren Wappen zu erkennen und ihre Namen zu
verkünden. Sie und die ihnen übergeordneten Wappenkönige überbringen in
Krieg und Frieden Botschaften. Zu ihrer Amtstracht gehören die
Wappenröcke, die das Wappen des von ihnen vertretenen
Herrschaftsgebietes zeigen, sowie Heroldsstäbe.
Das burgundische Erbe - Habsburgs Aufstieg zur Großmacht
DAS HERZOGTUM BURGUND UND DAS HAUS HABSBURG
Die Bildnisse in diesem Raum zeigen jene vier Herzöge von Burgund,
denen es im 14. und 15. Jahrhundert gelingt, eines der mächtigsten und
reichsten Fürstentümer im damaligen Europa zu formen. Maria, die
Tochter Karls des Kühnen, heiratet 1477 den Habsburger und späteren
Kaiser Maximilian I. Ihre gemeinsamen Kinder, Philipp und Margarete,
sichern das burgundische Erbe für das Haus Habsburg nach innen. Nach
außen gelingt es Maximilian I., das Erbe gegenüber Frankreich zumindest
im niederländischen Teil zu verteidigen. Die Ehe seines Sohnes Philipp
mit der spanischen Infantin führt diesen auf den Thron Spaniens und
deren gemeinsamen Sohn als Kaiser Kaiser Karl V. (1500-1558) an die
Spitze eines Reiches, „in dem die Sonne nicht untergeht". In weiterer
Folge bleiben die Niederlande bei der spanischen Linie der Habsburger.
Ab 1581 erkämpfen sich die nördlichen „Sieben Provinzen" unter der
Führung Hollands ihre Unabhängigkeit von Spanien.
SCHÄTZE BURGUNDISCHER HOFKUNST
Nur wenig hat sich vom legendären Reichtum der burgundischen Herzöge
erhalten, den sie gezielt einzusetzen und zur Schau zu stellen wissen.
Vieles geht noch in den Kriegszügen Karls des Kühnen verloren, vieles
wird von Maximilian I. verpfändet, um die Kämpfe um das burgundische
Erbe zu finanzieren. Die in diesem Raum gezeigten Objekte, die Brosche
aus Goldemail, der Bergkristallpokal Philipps des Guten und das
„Ainkhürn"-Schwert Karls des Kühnen, vermögen dennoch eine Vorstellung
vom besonders hohen Anspruch höfischer Schatzkunst unter den Herzögen
von Burgund zu geben. Kostbarste Materialien verbinden sich dabei mit
höchster technischer Perfektion im Dienste fürstlicher Repräsentation,
die in dieser Form an den Höfen Europas zum Vorbild wird.
Das burgundische Erbe - der Orden vom Goldenen Vlies
DER ORDEN VOM GOLDENEN VLIES
Am 10. Jänner 1430 gründet Herzog Philipp der Gute von Burgund einen
weltlichen Ritterorden, den Orden vom Goldenen Vlies. Neben dem Herzog
als Souverän gehören ihm 30 Edelmänner an, die sich zur Förderung und
Verteidigung des Christentums verpflichten. Die Aufnahme ist eine
Auszeichnung und soll den Adel an das Haus Burgund binden. Als Symbol
des Ordens wählt Philipp der Gute das Fell eines Widders (Vlies), das
schon im 15. Jahrhundert einerseits mit der griechischen Sage um Jason
und Medea, anderseits mit der biblischen Geschichte des Gideon in
Verbindung gebracht wird. Glanz und Ansehen der Herzöge von Burgund
lassen den Vlies-Orden rasch zu einer der prestigeträchtigsten
Adelsgemeinschaften Europas werden. Mit dem burgundischen Erbe erlangen
die Habsburger auch die Souveränität über den Orden, der heute noch
existiert.
SCHWURKREUZ, COLLANE UND POTENCE
Bei der Aufnahme eines neuen Ritters legt dieser seinen Eid auf das in
diesem Raum ausgestellte Schwurkreuz ab. Als Zeichen der Mitgliedschaft
erhält er eine goldene Kette, die sogenannte Collane. An ihr sind
Feuereisen und Feuersteine aneinandergereiht, aus denen Funken
schlagen, in der Mitte hängt das goldene Vlies. Bei der „Potence"
handelt es sich um einen breiten, zur Ausstattung des Herolds gehörigen
Kragen mit den 51 Wappen der jeweiligen Ordensritter. Diese Zahl wurde
im Jahr 1516 von Karl V. als Souverän des Ordens festgelegt.
DIE ORNATE DER RITTER
Die Ritterornate bewahren bis ins 19. Jahrhundert das Aussehen der
burgundischen Hofkleidung aus der Zeit Karls des Kühnen (1433-1477).
Goldstickereien zeigen dessen Devise „Je l'ay emprins" (Ich hab's
gewagt) sowie den Feuerstahl und das Vlies. 1830 werden die Ornate
letztmals öffentlich bei der 400-Jahrfeier des Ordens in Wien getragen.
* * *
Potence (Wappenkette) für den Herold des Ordens vom Goldenen Vlies
Niederländisch, wohl 1517 Gold, Email
Das burgundische Erbe - der Messornat des Ordens vom Goldenen Vlies
EIN MESSORNAT AUS GOLD UND SEIDE
Seit 1477 ist dieses Ensemble im Besitz des Ordens vom Goldenen Vlies
nachweisbar. Entstanden ist es wohl aber für die Hofkapelle Herzog
Philipps des Guten von Burgund (1396-1467), da Symbole des Ordens im
Dekor völlig fehlen. Hinsichtlich der kostbaren Materialien, des
künstlerischen Entwurfs und seiner technischen Umsetzung gehört dieser
Ornat zu den Höhepunkten mittelalterlicher Textilkunst schlechthin. Die
Stickereien kombinieren die Technik der Nadelmalerei (Gesichter und
Hände) mit jener der Lasurstickerei. Bei letzterer werden Goldfäden
dicht nebeneinander auf den textilen Untergrund gelegt und mit bunten
Seidenfäden so fixiert, dass je nach Dichte der Stiche mehr oder
weniger vom Goldgrund in die Darstellung einbezogen bleibt. 1797 wird
der Ornat vor den napoleonischen Truppen von Brüssel nach Wien
evakuiert.
DER ALTARSCHMUCK
Die beiden großen Behänge dienen dem Schmuck der Vorderseite des
Altartisches (Frontale) bzw. der Wandfläche dahinter (Retrofrontale).
Zwei Reihen mit Propheten (oben) und Aposteln (unten) flankieren
jeweils eine große Mittelgruppe, die einerseits die Dreifaltigkeit
(„Not Gottes"), und andererseits die Gottesmutter Maria mit Kind und
Heiligen zeigt. Der Entwurf dieser Darstellungen wird dem Meister von
Flémalle (tätig um 1410 1440) zugeschrieben, einem der Gründungsväter
der altniederländischen Tafelmalerei.
DIE LITURGISCHEN GEWÄNDER
Zum Ensemble gehören drei Priestermäntel (Pluviale), eine Kasel sowie
eine Dalmatik und eine Tunicella. Die durch wabenförmige Bildfelder
strukturierten Flächen zeigen zahlreiche Einzelfiguren, die sich im
Fall der drei Mäntel zu einem christologischen Bildprogramm verdichten,
das direkte Parallelen zum berühmten, 1432 vollendeten Genter Altar der
Brüder van Eyck aufweist.
* * *
Messornat des Ordens vom Goldenen Vlies
Marienmantel (Pluviale) Burgund, um 1425 – 1440 - Stickerei auf Leinengrund, Metall- und Seidenfäden, Perlen, Glassteine, Samt
Schild: Maria; Stäbe: Propheten und Apostel In drei Reihen: Erzengel Gabriel mit Engeln, heiligen Jungfrauen, Frauen, Witwen
Messornat des Ordens vom Goldenen Vlies
Antependium (Retrofrontale) Burgund, um 1425 – 1440, Stickerei auf Leinengrund, Metall- und Seidenfäden, Perlen, Glassteine
Notgottes, Propheten und Apostel
Messornat des Ordens vom Goldenen Vlies
Antependium (Frontale) Burgund, um 1425 – 1440 - Stickerei auf Leinengrund, Metall- und Seidenfäden, Perlen, Glassteine
Katharinenvermählung, Propheten und Apostel
Zeittafel
800 Krönung Karls des Großen (reg. 768-814) zum Kaiser durch den Papst in Rom
962 Otto 1., der Große (reg. 936- 973), wird vom Papst in Rom zum Kaiser gekrönt.
1025 Baubeginn des Domes zu Speyer
1133/34 Entstehung des späteren Krönungsmantels am Hof der normannischen Könige in Palermo
1220 Krönung Friedrichs II. aus dem Adelsgeschlecht der Staufer zum Kaiser in Rom
1248 Baubeginn des Kölner Doms
1273 Wahl von Rudolf von Habsburg zum Römischen König
1356 Der Luxemburger Kaiser
Karl IV. (reg. 1346-1378) erlässt die Goldene Bulle, die unter anderem
die Wahl des Königs im Reich regelt
1358/59 Urkundenfälschung des „Privilegium Maius", mit dem Herzog Rudolf IV. den Erzherzogstitel für die Habsburger beansprucht
1430 Herzog Philipp III., der Gute, von Burgund gründet den Orden vom Goldenen Vlies
1433 Vollendung des Südturms an der Wiener Stephanskirche
1445 Der Mainzer Johannes Gutenberg erfindet den Buchdruck mit beweglichen Lettern
1477 Tod Karls des Kühnen,
Herzog von Burgund, in der Schlacht von Nancy. Hochzeit seiner Tochter
Maria mit Maximilian von Österreich
1492 Christopher Kolumbus gelangt auf dem Seeweg nach Amerika
1506 Baubeginn der Peterskirche in Rom
1517 Martin Luther veröffentlicht in Wittenberg seine 95 Thesen, Beginn der Reformation
1521 Teilungsvertrag zwischen
Karl V. (reg. 1519-1556) und seinem Bruder Ferdinand I. Trennung in
eine spanische und in eine österreichische Linie des Hauses Habsburg
1526 Habsburg tritt nach der Schlacht bei Mohács das Erbe in den Königreichen Böhmen und Ungarn an
1552 Errichtung des Schweizertors in der Wiener Hofburg
1602 Vollendung der Krone Kaiser Rudolfs II. (reg. 1576-1612)
1618 Beginn des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648)
1622 Baubeginn des Kapuzinerklosters in Wien, das zur wichtigsten Grablege der Habsburger wird (Kapuziner- oder Kaisergruft)
1661 König Ludwig XIV. übernimmt die Herrschaft in Frankreich, Zeitalter des politischen Absolutismus
1700 Beginn des Krieges um das
Erbe des letzten spanischen Habsburgers (bis 1714). Die spanische Krone
geht an das französische Haus Bourbon
1715 Baubeginn der Karlskirche im Auftrag Kaiser Karls VI.
1743 Beginn der Um- und Ausgestaltung von Schloss Schönbrunn zur heutigen Form
1789 Beginn der Französischen Revolution
1804 Errichtung des Kaisertums Österreich in den habsburgischen Erblanden und Krönung Napoleon Bonapartes zum Kaiser der Franzosen
1806 Kaiser Franz IL. (seit 1792) erklärt das Heilige Römische Reich für aufgelöst
1810 Heirat Napoleons mit der habsburgischen Erzherzogin Marie Louise in Paris. 1811 Geburt des Thronfolgers
1814/15 Wiener Kongress. Neuordnung Europas
1871 Gründung des Deutschen Kaiserreiches
1871 Baubeginn des Kaiserforums in Wien
1914 Ausbruch des 1. Weltkriegs (1914-1918)
1916 Tod von Kaiser Franz Josef (1830-1916) nach 68-jähriger Regierungszeit
1918 Ende der Habsburgermonarchie. Ausrufung der Republik Deutsch-Österreich. Der letzte Kaiser, Karl 1., geht 1919 ins Exil